[1]. An eine lindernde Wirkung von Natron (lat. nitron) bei Sodbrennen glaubte auch der bekannte griechische Arzt Pedanios Dioskurides im 1. Jahrhundert n. Chr. [2]. Eine Übersäuerung der Körpers beziehungsweise des Blutes in Form einer sogenannten Azidose war damals noch nicht bekannt. Zur Beschreibung der Wirkung von Natron ist zunächst eine Unterscheidung zwischen einer Übersäuerung des Magens mit Sodbrennen und einer Übersäuerung des Blutes (Azidose) wichtig. Es handelt sich um zwei völlig unterschiedliche Krankheitsbilder, sodass sich auch ihre Behandlung, die gegebenenfalls mit Natron erfolgen kann, unterscheidet.
Chemischer Hintergrund
Die Verwendung von Natron zur Entsäuerung ergibt sich aus seinem basischen Charakter. Diese beruht darauf, dass Natron (NaHCO3–) in Wasser zu Bikarbonat (HCO3–) und Natriumionen (Na+) zerfällt. Beide Stoffe kommen vielfältig im Körper vor und werden normalerweise ausreichend mit der Nahrung aufgenommen beziehungsweise vom Körper selbst hergestellt. Basisch, also säureneutralisierend wirkt dabei nur das Bikarbonat, auch Hydrogencarbonat genannt. Es ist dabei der wichtigste säureneutralisierende Stoff (Puffer) im menschlichen Körper [3].
Medizinische Fakten
Ob eine künstliche Zufuhr an Natron notwendig ist und eine über die Theorie hinausgehende Wirkung hat, ist umstritten. So wird der Einsatz von Natron bei Sodbrennen oder Übersäuerung in der Schulmedizin kaum mehr empfohlen [4]. Bei Sodbrennen beziehungsweise einem Überschuss an Magensäure lässt sich die theoretische Wirkung von Natron einfach erklären. So führt Natron zu einer Neutralisation von sauren Nahrungsmitteln und Magensäure. Im Tierversuch zeigte durch eine Gabe von Natron parallel zur Fütterung mit säurehaltigen Nahrungsmitteln eine geringere Übersäuerung des Magens als eine Fütterung saurer Nahrungsmittel ohne Natron [5]. Natron schafft es aber nicht, den für Sodbrennen ursächlichen Rückfluss des immer noch aggressiven Magensafts zu verhindern. Außerdem kommt es durch die Neutralisation des ursprünglich sauren Magensafts zu einer starken Anregung der Magenzellen. Diese produzieren dann wieder vermehrt neue Magensäure. Dieser Effekt kann vereinfacht auch als Training der Magenzellen beschrieben werden. Beim Absetzen von Natron kann es dann zu einer starken Übersäuerung und damit wieder zu Sodbrennen kommen (Rebound-Effekt) [6].
Die Behandlung einer Übersäuerung des Blutes (Azidose) erfordert immer ärztliche Kompetenz und erfolgt in der Regel nicht mit Natron, sondern meist durch Behandlung der Ursache. In der neueren Forschung ergeben sich jedoch Hinweise, dass Natron bei einer Blutvergiftung (Sepsis) sinnvoll sein könnte [7]. Obwohl erste Untersuchungen bereits auf eine Wirksamkeit von Natron hinweisen, reicht die Studienlage noch nicht aus, um Natron als häufig genutztes Medikament zu etablieren.
Ein weiterer Aspekt, der gegen eine künstliche Zufuhr von Natron spricht, ist die Tatsache, dass der Körper Natron beziehungsweise seine basisch wirkende Komponente Bikarbonat (HCO3–) selbst herstellen kann. So wird unter anderen in der Niere Wasser (H2O) und Kohlenstoffdioxid (CO2) zunächst zu Kohlensäure (H2CO3). Diese zerfällt in der Niere dann zu H3O+ und Bikarbonat (HCO3–). Während normalerweise beide Komponenten gleichmäßig mit dem Urin ausgeschieden werden, kann der Körper bei Bedarf vermehrt Bikarbonat zurückhalten und ist so normalerweise nicht auf eine künstliche Zufuhr von außen angewiesen [8]. Die Einnahme von Natron bei Übersäuerung kann also erst sinnvoll werden bei Ausfall oder Überlastung dieses Kompensationsmechanismus.
Rezeptideen für eine basische Ernährung
Zu beachten
Heute ist Natron vor allem als Zugabe in Backpulver bekannt und weit verbreitet. Wichtig ist aber, dass Backpulver und Natron nicht gleichzusetzen sind. So enthält Backpulver oft noch viele andere Zusatzstoffe, die einen Therapieerfolg gefährden können. Natron zur medizinischen Verwendung sollte idealerweise in seiner Reinform in einer Apotheke erworben werden. Alternativ kann man durch Zugabe von Wasser überprüfen, ob es sich bei einem Backpulver um reines Backnatron handelt. Enthält das Backpulver noch weitere Zusatzstoffe, kommt es zu einem Aufschäumen des Gemisches (lässt den Kuchen aufgehen), während bei reinem Natron keine Schaumbildung erfolgt.
Zu beachten ist außerdem, dass die Einnahme von Natron nicht nebenwirkungsfrei ist. Durch den oben beschriebenen Mechanismus kann Natron zu Kohlensäure werden. Passiert dies im Magen, kommt es zu Blähungen und Aufstoßen, wodurch Sodbrennen gefördert wird. Bei übermäßiger Natroneinnahme kann auch eine Verlaugung (Alkalose) des Körpers entstehen. Durch das gleichzeitig aufgenommene Natrium kann es bei dauerhafter Natroneinnahme auch zu Bluthochdruck und einer Überwässerung des Körpers kommen.
Fazit
Natron ist weder bei Sodbrennen noch bei einer Azidose Mittel der Wahl. Die Einnahme kann zwar bei Aufnahme großer Mengen saurer Lebensmittel zu einer Neutralisation der Säurewirkung führen, jedoch nicht die daraus folgenden Symptome lindern. Da Natron auch nicht nebenwirkungsfrei ist, sollte es nur mit Bedacht eingenommen werden.
Weiterführende Informationen zum Thema basische Ernährung:
Quellen
- [1] U. Lang: „Antacida – wider den Sodt“, Deutsches Ärzteblatt März 2015 (Heft 11), S. 484.
- [2] J. Berendes: Des Pendanios Dioskurides aus Anazarbos Arzneimittellehre aus fünf Büchern. Ferdinand-Enke-Verlag, 1970, S. 537.
- [3] G. Herold: Innere Medizin. Gerd Herold Verlag, 2013, S. 590.
- [4] G. Herold: „Sodbrennen, Refluxkrankheit“, http://www.dr-g-herold.de/therapieren/sodbrennen-refluxkrankheit.html , 02.09.2015
- [5] U. Eidelsburger et al.: „Zum Einfluss von Ameisensäure, Calciumformiat und Natriumhydrogencarbonat auf pH-Wert […] in verschiedenen Segmenten des Gastrointestinaltrakts“, Journal of Animal Physiology and Animal Nutrition, 2009, S. 20-32
- [6] E. Martin: „ Selbstmedikation mit Antazida und H2-Antihistaminika. Was tun bei Sodbrennen und Co.?“, Pharmazie in unserer Zeit, 2007 S. 52–58.
- [7] D. Velissaris et al.: „The Use of Sodium Bicarbonate in the Treatment of Acidosis in Sepsis: A Literature Update on a Long Term Debate“, http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1439-0396.1992.tb00614.x/abstract / 18.01.2016
- [8] CH. Fahlke: Taschenatlas Physiologie. Urban Fischer, 2008, S. 302